Michael Seemann: Ich wurde von der “Crowd” beauftragt, ein Buch zu schreiben

Die folgenden sechs Fragen unserer Interview-Reihe werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

Michael SeemannWer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Ich bin Michael Seemann, eigentlich Blogger und Kulturwissenschaftler und meine bisherige Hauptverwendung für Bücher war, sie zu lesen. Aber jetzt bin ich frischgebackener designierter Autor. Ich wurde von allerlei Menschen (einer so genannten »Crowd«) beauftragt, ein Buch zu schreiben. Die Beauftragung kam allerdings zu Stande, weil ich auf der Crowdfundingplattform Startnext freundlich danach fragte, jedoch wurde meine Frage mit einem euphorischen »Ja!« beantwortet. Ich habe die angepeilte Summe von 8.000 Euro innerhalb von 28 Stunden zusammengesammelt und steuere gerade auf 14.000 zu. Ich will bis Ende Januar mindestens noch 15.000 Euro schaffen, um mit dem zusätzlichen Geld ein Audiobook zu produzieren. Ab Anfang Februar werde ich also Autor sein und mein erstes eigenes Buch schreiben.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich habe bislang keinen »typischen Arbeitsalltag«. Bislang konnte ich – je nach terminlicher Lage – einfach aufstehen, wie es mir passt und arbeiten/nicht-arbeiten, wie es die Situation gerade erforderte.

Nun, da ich mir vorgenommen habe ein 300 Seiten starkes Buch zu schreiben, werde ich meinen Tagesablauf stärker strukturieren müssen. Ich mache mir dazu bereits einige Gedanken, die ich aber noch nicht an der Praxis erprobt habe. Zum Beispiel will ich einen Arbeitsweg haben, einen Schreibtisch, zu dem ich fahren muss, um zu arbeiten, um meinen Tag besser zu strukturieren. Bisher mache ich das Meiste von zu Hause oder von Cafés aus.

Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?

Die letzten 3 Jahre vor allem dadurch, dass es mehr geworden ist. Ansonsten gibt es immer mal wieder was Neues. Neben den Vorträgen, die ich halte, den Podiumsdiskussionen, an denen ich teilneme, und den Artikeln, die ich schreibe, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren, kommen immer mal wieder überraschende, neue Elemente hinzu: Kunstprojekte oder hier und da eine Beratungsleistung. Aber, da ich von Anfang an digital gearbeitet habe, hat sich außer der Wahl der Tools kaum etwas getan.

Jetzt, da ich auf ein so traditionsreiches Medium wie das Buch zusteuere, werde ich einige Prozesse jedoch anpassen müssen. Wer weiß, vielleicht werde ich dadurch ja analoger?

Was ist ein Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Mein aktuelles Problem ist, dass ich noch wenig Erfahrung und Kontakte im Buchbereich habe. Und ich will, obwohl ich mein Projekt unabhängig finanziere, dennoch mit einem Verlag zusammenarbeiten.

Trotz der freien Lizenz, mit der ich mein Buch im Internet vertreiben werde, habe ich noch die exklusiven Printrechte zu vergeben (das Lizenzmodell erkläre ich unten). Ich suche also einen Verlag, der mit mir die Printversion meines Buches herstellt. Und zwar aus folgenden Gründen:

  1. Die Crowdfundingaktion hat gezeigt, was für eine tolle Community ich mir die Jahre aufgebaut habe. Das freut mich sehr. Ich will mit meinen Ideen aber aus der Community raus, ich will viele Leute erreichen. Das geht über die digitalen Kanäle aber immer noch nur sehr bedingt. Um aus meiner Filterblase auszubrechen, muss ich gedruckt werden und es in die Buchläden schaffen. Das geht nur durch einen Verlag.
  2. Ich möchte das Rennomee eines Verlages. Ich sammle vermutlich genug Geld ein, um mir einfach selbst eine Auflage drucken zu können. Aber das will ich nicht. Es ist immer noch wichtig, wo ein Buch erscheint, und daher suche ich einen namenhaften Verlag.
  3. Ich will Geld. Nicht viel, aber eben auch. Nicht viel, weil ich bereits bezahlt bin. Für die Printrechte habe ich die Summe von 5.000 Euro + 15% angesetzt. Ich halte das für ein Projekt mit derartigen Erfolgsaussichten für günstig, lasse aber auch gerne mit mir reden.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren – welche Art von Kontakten wäre zurzeit hilfreich für Sie?

Verlage und gerne auch Agenten, die wissen, wie man sowas an einen Verlag verkauft bekommt.

Ich brauche einen Verlag, der sich was traut, der aber auch die Chance sieht, die sich ihm bietet. Mein Projekt zu drucken, bedeutet eine »low hanging fruit« zu pflücken. Es gibt eine resonante Community, eine rollende Werbekampagne, einen Autor, der bereits bezahlt ist und der gezeigt hat, dass er mit seinen Texten die Leute bewegt. Zu gewinnen gibt es die exklusiven Printrechte.

Und das geht so:

Ich habe mir extra eine Lizenz ausgedacht, die es mir erlaubt, die Nutzung meiner Inhalte in der digitalen Sphäre so frei wie möglich zu gestalten und mir gleichzeitig alle Rechte für die analoge Form vorzubehalten: die WTFPDL (wtfpdl.net). Sie erlaubt es mir, die analoge Form – also die Printversion des Buches – exklusiv zu verkaufen und gleichzeitig das Momentum einer freien eBookversion auszunutzen.

Wo finden wir Sie im Internet?

Das Projekt findet sich auf der Plattform Startnext und die Kampange geht noch bis Ende Januar. http://www.startnext.de/ctrlverlust/

Das Blog, auf dessen Vorarbeit mein Buch aufbauen wird, ist hier zu finden: http://ctrl-verlust.net/

Dazu betreibe ich ein privates Blog unter http://mspr0.de und einen Podcast unter http://wir.muessenreden.de.

Auf Facebook findet man mich unter https://www.facebook.com/mspr0 und auf Twitter unter http://twitter.com/mspro.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Bildquelle: Michael Seemann

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