Kathrin Weßling: Schreiben bedeutet bei mir spontane Eingebungen und Panik kurz vor der Deadline

Die folgenden fünf Fragen werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

Kathrin Weßling: Schreiben bedeutet bei mir spontane Eingebungen und Panik kurz vor der Deadline Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Mein Name ist Kathrin Weßling und ich bin Autorin. Ich schreibe Romane (gerade aktuell auf dem Markt: „Drüberleben“, erschienen bei Goldmann im Herbst 2012) und manchmal den ein oder anderen Text für Anthologien. „Was ich mit Büchern mache“ ist außerdem: sie sammeln, sie lesen, sie mitleben lassen. Manche sagen, ich ginge nicht sehr pfleglich mit Büchern um, aber ich brauche das Gefühl, dass ich ein paar Tage mit dem Buch gelebt habe, dass es in meiner Tasche war, auf Reisen dabei, auf meinem Schreibtisch, in einem Café und beim Essen neben mir lag. So sehen meine gelesenen Bücher dann eben auch aus: voller Flecken, Notizen und Knicke – wie das Leben eben Spuren hinterlässt. Deshalb besitze ich zwar einen mittlerweile kaputten Kindle, aber dieses Gerät verwehrt mir das Gefühl, das ich habe, wenn ich in meine kleine Bibliothek zu Hause schaue: da kann ich nämlich bei jedem Buch ganz genau sagen, wann ich es wo dabei hatte und wie ich mich mit dem Buch und auch ganz allgemein in der Zeit gefühlt habe. Elke Heidenreich hat dazu mal gesagt, dass sie, wenn sie ein Buch wirklich liebt, es überall hin trägt, es mit in die Küche, mit aufs Klo, mit auf ein Konzert nimmt. Das ist bei mir auch so und das ist für mich auch eine Liebesbeziehung zu Büchern.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

So ein „typischer Arbeitstag“ existiert gar nicht – ein Manko, das ich seit Jahren versuche zu ändern. Und ich habe schon alles versucht: jeden Morgen um die gleiche Zeit an den Schreibtisch, immer ein Notizbuch dabei haben, ein externes Büro, im Café arbeiten und so weiter. Aber es endet immer in der gleichen frustrierenden Erfahrung: ich und Struktur, das funktioniert nicht. Deshalb: Mein Tag beginnt mit meinem Hund, weil jener erst einmal raus muss. Dann Kaffee, viel davon. Dann Emails beantworten, Nachrichten schreiben, auf Anfragen reagieren. Und dann ist auch schon Nachmittag. Wenn es ein guter Tag ist, dann setze ich mich dann an den Schreibtisch, WLAN aus, Kopf an. Aber ganz, ganz oft stolpere ich auch nur durch den Tag und schaffe gar nichts. Schreiben bedeutet bei mir tatsächlich: spontane Eingebungen (auch mal nachts um drei) und Panik kurz vor der Deadline. Mittlerweile schaffe ich es aber zumindest, zwei bis drei Bücher in der Woche zu lesen (was meiner Meinung nach zu dem Beruf „Schriftsteller“ genau so dazu gehört, wie das Schreiben) und den Fernseher lasse ich inzwischen fast ganz aus – Bücher sind so viel mehr Welt und Liebe und Fantasie als der Schrott, der aus dem Kasten kommt.

Wie hat sich Ihre Arbeit in den letzten Jahren bzw. in der letzten Zeit verändert?

Vor ein paar Jahren, als ich noch sehr schlecht vom Schreiben leben konnte, musste ich tagsüber arbeiten gehen und konnte nur nachts oder zwischendurch an Texten arbeiten. Das hat sich grundsätzlich verändert. Mit der Professionalisierung meines Schreibens haben sich viele Probleme von selber gelöst, aber es sind auch welche hinzugekommen. Druck zum Beispiel. Und oft auch ein Kämpfen mit der Deadline, eine Angst vor der Abgabe, ein viel, viel längeres Verweilen bei Texten, weil ich heute ja fast ausschließlich lange Texte schreibe und nicht, wie früher, kurze Prosastücke. Auch hinzugekommen ist, dass ich die Texte nicht mehr ausschließlich nach meinen Vorlieben bewerte, sondern natürlich auch danach, ob sie für den Leser verständlich sind etc. Das Spielerische geht mir dabei mehr und mehr verloren und das ist etwas, das sich dringend wieder ändern muss.

Was ist ein typisches Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Ach ja, die Struktur, die Struktur. Ich kann einfach nicht fassen, dass ich als erwachsener Mensch immer noch so unorganisiert beim Schreiben bin. Und ich bin genervt davon, dass ich zwar viele tolle Ideen habe, aber oft zu bequem bin, sie dann irgendwo aufzuschreiben und sie mir dann verloren gehen. Hauptsächlich kämpfe ich aber damit, disziplinierter zu arbeiten, feste Zeiten, fester Platz, feste Struktur. Ich suche noch immer nach einer Lösung, die etwas mit sich-selber-verstehen-und-sich-selber-austricksen zu tun hat: Ich weiß mittlerweile, dass feste Arbeitszeiten bei mir nicht funktionieren, aber was stattdessen zu mehr Disziplin und Organisiertheit führen könnte, weiß ich leider noch immer nicht.

Wo finden wir Sie im Internet?

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Und bei Xing.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Bildquelle: Kathrin Weßling

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