Dirk von Gehlen: Ich bin Journalist bei der Süddeutschen Zeitung und mein nächstes Buch ist ein Experiment

Die folgenden fünf Fragen werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

Dirk von Gehlen: Ich bin Journalist bei der Süddeutschen Zeitung und mein nächstes Buch ist ein Experiment

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Mein Name ist Dirk von Gehlen, ich bin Journalist bei der Süddeutschen Zeitung (leite die Abteilung Social Media/jetzt.de) und was ich als nächstes mit Büchern machen will, ist ein Experiment. Im vergangenen Jahr habe ich das Buch „Mashup – Lob der Kopie“ (lobderkopie.de) bei Suhrkamp veröffentlicht. Darin beleuchte ich die historische Ungeheuerlichkeit der digitalen Kopie. Im nächsten Schritt will ich in einem Buch-Experiment die Chancen fürs Kulturschaffen ausloten, die in der Kopie liegen: Dafür will ich im Herbst das Buchprojekt „Eine neue Version ist verfügbar“ starten. Kernthese des Buchs ist: Durch die Digitalisierung wird Kultur zu Software, Versionen werden mindestens so wichtig wie abgeschlossene Werke. Deshalb soll das Buch selber als Prozess angelegt sein. Ich möchte die Leser einbeziehen, den Entstehungsprozess dokumentieren und diskutieren. Derzeit muss ich dafür einige organisatorische Vorarbeiten treffen, weil das Buch ohne klassischen Verlag erscheinen wird. Wenn das abgeschlossen ist, geht es los. Wer Interesse hat, an einem solchen Experiment teilzunehmen, kann sich hier dafür eintragen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ein typischer Arbeitstag fühlt sich so an: Während ist Mails checke, Tweets lese und poste und längere Texte schreibe, gehe ich in Konferenzen, spreche mit Kollegen und Lesern und lese sehr viel. Der prozentuale Anteil ist von Tag zu Tag unterschiedlich – das Netz als permanenter Bezugsraum ist aber stets dabei. Und das Besondere: Es macht genau so sehr viel Spaß.

Wie hat sich Ihre Arbeit in den letzten Jahren bzw. in der letzten Zeit verändert?

Ich arbeite seit mehreren Jahren im und mit dem Internet und trotzdem lautet die Antwort: Die Arbeit wird ständig digitaler – und ich finde das gut. Am Anfang war das Netz höchstens Begleitmedium. Das hat sich geändert. (Digitale) Relevanz entsteht dort, wo die Menschen sich aufhalten: also im Internet. Medien müssen hier vertreten und ansprechbar sein, um auch in Zukunft als glaubwürdige Informationsquelle dienen zu können. Denn das ist für mich die entscheidende kulturelle Veränderung, die durch das Internet entstanden ist: Publikationsmittel sind demokratisiert. Jeder kann veröffentlichen. In diesem Umfeld müssen Menschen, die das professionell tun, ihre Autorität anders herleiten und begründen. Allein die Tatsache, dass sie veröffentlichen reicht nicht mehr.

Was ist ein typisches Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Die zentrale Frage für alle Storyteller – wie der NYT-Journalist Nick Bilton Menschen nennt, die in den Medien arbeiten (bzw. was mit Büchern machen) – lautet: Wie kann man den richtigen und wichtigen Werten in einem neuen Umfeld zu Geltung verhelfen? Wie sehen Geschäftsmodelle aus, die unsere Vorstellung von Qualität ermöglichen? Das ist kein typisches Problem, sondern die grundlegende Herausforderung der Digitalisierung. Leider wird diese bisher häufig recht defensiv gedacht. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, etwas zu verteidigen, sondern vielmehr darum, Neues auszuprobieren – auch auf die Gefahr hin zu scheitern.

Wo finden wir Sie im Internet?

Am liebsten da, wo es spannend ist. Ich glaube, dass wir das Netz weniger als Kanal sondern vielmehr als Ökosystem denken sollten, das temporär Räume schafft. In diesem sozialen Echtzeit-Feld liegen noch viele ungenutzte Chancen für alle Storyteller. Derzeit entstehen diese Räume für mich regelmäßig auf Twitter (@dvg) – aber auch im Hause der Süddeutschen Zeitung gibt es unter sz.de und jetzt.de sehr spannende Ansätze. Darüber hinaus findet man mich in meinem privaten Blog digitale-notizen.de.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Bildquelle: Daniel Hofer/SZ

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