Monika Mathar: Der Bücherschrank und ich waren eine Liebe auf den ersten Blick

Die folgenden sechs Fragen unserer Interview-Reihe werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

Monika Mathar

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Ich bin Monika Mathar, Kulturmanagerin, Künstlerin und Vieles mehr. Lebe in Köln. Und liebe Bücherschränke. Ganz besonders den, der seit 2012 bei uns in der Südstadt in der Rolandstraße aufgestellt worden ist.

Der Bücherschrank und ich waren eine Liebe auf den ersten Blick. Ich besuche diesen Schrank fast jeden Tag. Und früh schon entstand die Idee Lesungen dort zu veranstalten. Da der Schrank vom SPZ, dem Sozialpsychiatrischen Zentrum, betreut, gehegt und gepflegt wird, sprach ich eines Tages den Leiter des Zentrums mit meiner Idee an. Und so kam es zu dem tollen Projekt an dem ich mit viel Herzblut grade arbeite:

Lesungen am Bücherschrank: Arbeitstitel: Lieblingstexte. Die ersten Lesungen sollen im November und Dezember in der Rolandstraße in der Kölner Südstadt stattfinden.

BücherschrankWie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Es gibt keinen typischen Arbeitstag, weil ich in unterschiedlichen Feldern arbeite. Neben der Arbeit am Bücherschrank bereite ich zur Zeit eine Ausstellung in Belgien vor, bei der meine Wachsskulpturen, die mein Arbeitsfeld als Künstlerin sind, gemeinsam mit den Werken zweier belgischer Künstlerinnen gezeigt werden sollen.

Mal hat das eine Projekt mehr Kraft. Mal müssen bei dem anderen Projekt sofort Dinge passieren. Zur Zeit lade ich Gäste ein für die Lesungen und wir überlegen, wen wir gerne sehen und hören möchten. Die Gäste sollen überraschen. Und es geht darum, Gäste zu finden, die interessant sind, die man aber nicht unbedingt mit Literatur in Verbindung bringt, so dass die Lieblingstexte eine echte Überraschung sein werden.

Jeder meiner Arbeitstage beginnt mit den Morgenseiten: genau drei Seiten, die von mir beschrieben werden. Und im Anschluß bete ich das Sonnengebet von Pater Painadath. Alle anderen Bestandteile meines Arbeitstages sind wandelbar.

Stoße ich während der Arbeit auf ein Problem oder spüre, dass ich hektisch werde oder etwas drückt, bemühe ich mich, langsam zu werden oder gehe spazieren. Auch Konzepte mache ich am liebsten beim Spazierengehen oder beim Rad fahren. Fast alle Ideen für dieses Projekt habe ich auf diese Weise entwickelt.

Im Augenblick gehe ich fast täglich am Bücherschrank vorbei. Oft mache ich dort Photos oder spreche mit Menschen. Wenn mich eine Frage bewegt, spreche ich Menschen an. Menschen und Bücher bilden für mich an diesem Schrank eine wunderbare Einheit.

Oft sitze ich am Rechner oder am Telefon. Aber am liebsten begegne ich den Menschen, mit denen ich arbeite, direkt. So dient das Telefon meist nur der Terminabsprache.

Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?

Zuerst war es nur eine Idee, von der ich viele Menschen überzeugen musste. Im SPZ stieß ich auf große Gegenliebe und großes Vertrauen. Aber zuerst einmal war es ein Arbeitgeber, mit dem ich nie gearbeitet hatte.

Heute genieße ich Vertrauen. Das Projekt wird von allen Beteiligten mit getragen. Es gibt ein starkes Wir. Es  hat viele Fans gefunden. Und findet hoffentlich noch viel mehr …

Was ist ein Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Zur Zeit ist das größte Problem, wie bei vielen Kulturprojekten, tatsächlich das Geld. Es steht das Programm im Prinzip schon bis in den nächsten Winter. Wir haben eine Idee, die eigentlich schon diesen Sommer umgesetzt werden sollte und also im nächsten umgesetzt werden könnte. Meine Idee ist, im Sommer ein wechselndes Programm zu zeigen. Die Lieblingstexte würde ich gerne Jahr für Jahr im Winter um die immer gleiche Zeit mit immer neuen Gästen wiederholen. Es gibt so viele Menschen, auf die wir neugierig sind in unserer Arbeitsgruppe. Außerdem gibt es die Idee, Projekte mit Schulen aus dem Viertel auf den Weg zu bringen. Ich bin da schon mehrfach von Eltern angesprochen worden.

All das sind auch Brücken ins SPZ, die die Türen des Hauses öffnen, und die Menschen, die dort Besucher sind, von Stigmatisierungen befreien. Für mich und uns alle, die wir an diesem Projekt arbeiten, ist der Brückenbau ein Kernaspekt innerhalb des Projektes. Mit  Hilfe der Bücher zu zeigen, dass Menschen, die als psychisch krank gelten, Menschen sind und bleiben und den Menschen aus der Umgebung die Scheu zu nehmen, ein Haus, wo es um so etwas wie psychisches Kranksein geht, zu betreten.

Die Einbindung der Besucher des SPZ ist ein wichtiger Aspekt und die Bücher als Brücke: die Menschen in ihrem Menschsein, ihrer Stärke und nicht mit dem ihnen anhaftenden Stigma zu zeigen.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren – welche Art von Kontakten wäre zurzeit hilfreich für Sie?

Menschen, die uns mit Geld unterstützen wollen. Mit Catering. Mit besonders interessanten Büchern, die sie in den Schrank stellen, so dass er immer gut gefüllt ist mit Dingen, die unbedingt gelesen werden sollten. Menschen, die noch keine Idee haben, wie sie uns unterstützen können, aber den Wunsch haben, es auf irgendeine Weise zu tun. Menschen, die das Projekt schreibend oder photographierend begleiten und dokumentieren wollen. Besucher der Veranstaltungen, damit sie schön und erfolgreich werden. Stiftungen, die unser Projekt unterstützen wollen.

Jeder aus dem Viertel, der ehrenamtlich den Schrank mitpflegen möchte, darf sich bei uns melden. Denn der Bücherschrank hat tatsächlich eine ganz wichtige Brückenfunktion in die umliegenden Viertel: die Südstadt und das Severinsviertel.

Wo finden wir Sie im Internet?

Seit neuestem haben wir eine Webseite:

http://caritas.erzbistum-koeln.de/koeln_cv/menschen_behinderung/spzinnenstadt/buecherschrank.html

Ursprünglich war geplant, dass der Bücherschrank auf facebook ein eigenes Profil bekommt und dort immer wieder kleine Geschichten auf dem Weg zu finden sein sollten. Aber das wird erst im nächsten Jahr möglich sein. So ist vorerst unsere Webseite der einzige Ort, an dem wir im Netz zu finden sind.

Im wirklichen Leben findet man oftmals jemanden von uns am Bücherschrank Rolandstraße / Ecke Merowinger Straße im Kölner Süden. Nicht weit vom Volksgarten.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Bildquelle: Monika Mathar

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