Architektur-Student Hendrik Wenzel: Wie lässt sich die Zukunft des stationären Buchhandels räumlich definieren?

Architektur-Student Hendrik Wenzel: Wie lässt sich die Zukunft des stationären Buchhandels räumlich definieren?

Ich studiere Architektur im Masterstudiengang an der HafenCity Universität in Hamburg. Im Wettbewerbs-Seminar „Bookshop 2020“ beschäftigen wir uns mit der anspruchsvollen Aufgabe, die Zukunft des stationären Buchhandels räumlich zu definieren. Stellvertretend entwickeln wir Vorschläge für die Hamburger Buchhandlung Felix Jud im Jahre 2020. Wir entwerfen eine Buchhandlung zwischen jahrhundertealter Tradition und Hightech. BoD stiftet die Wettbewerbspreise.

Eine Buchhandlung der Zukunft entwerfen

E-Book. Selfpublishing. Amazon. Wie sieht die lokale Bücherstube dazu aus? Wir diskutieren. Wir zeichnen. Wir erklären. Und wir stellen fest, dass es schwer fällt, die aktuelle Entwicklung in gebaute Realität zu übertragen. Ein Architektur-Entwurf zwingt zur Konkretisierung. Drumherumreden geht nicht, lässt sich nicht als Grundriss abbilden. Dass es „Felix Jud & Co.“ im Jahre 2020 nicht mehr geben könnte, daran glaubt keiner aus dem Seminar. Diese Institution der Literatur lernten wir mit Seminarstart im April diesen Jahres bei einer Gesprächsrunde kennen. Am Neuen Wall in Hamburg, in der malerischen Mellin-Passage sitzen wir in der obersten Etage. Rundherum Bücher. Raumhoch. Dicht an dicht hocken wir zwischen den Gedanken aus Jahrhunderten. Henry Miller, Siegfried Lenz, Cees Noteboom, Walter Kempowski, Martin Walser, Jurek Becker – sie alle sind vor uns schon persönlich hier gewesen. Marina Krauth, Geschäftsführerin von Felix Jud, beschreibt 90 Jahre Buchhandelstradition. Sie hat selbst bei Felix Jud gelernt, diesem aufsässigen Querkopf, der sich offen gegen das deutsche Regime der 30er und 40er Jahre stellt. Axel Springer verdankt ihm ein Empfehlungsschreiben an die alliierte Nachkriegsverwaltung. Springer darf seinen Verlag gründen.

Offener Austausch über alle Kanäle

Und nun kommt Amazon und behauptet: „Leser brauchen keine Läden und Autoren keine Verlage.“? Was hätte Felix Jud wohl Russell Grandinetti entgegnet? Dies ist eine der Fragen, die wir uns im Seminar beim World Café stellen.

Perspektivwechsel. What would Apple do? Wien bleibt Wien. Der Jungbrunnen. Willkommen in Digitalien. Wir inszenieren Kaffeehauskultur. Wieder werden etliche Skizzenrollen unter dem Bleistift entrollt. Notizbücher füllen sich Seite um Seite. Aha. Seht Ihr? Wir zeichnen mit Kohle und Graphit auf Blattware. Gedanken ohne Papier – wie soll das denn gehen?

Architektur-Student Hendrik Wenzel: Wie lässt sich die Zukunft des stationären Buchhandels räumlich definieren?

Zwischenpräsentation. Offene Runde. Genauso transparent wie wir die Entwicklung im Projekt-Blog unter www.bookshop2020.de dokumentieren, analysieren wir auch die entstehenden Wettbewerbsentwürfe der einzelnen Teilnehmergruppen gemeinsam. Oftmals auch auf Englisch. Bologna wirkt. Acht der insgesamt fünfundzwanzig Studenten sind im Erasmus-Programm. Sie kommen aus Polen, Österreich und Frankreich. Fremdsprachen anzuwenden ist für mich viel selbstverständlicher als noch für die Diplomanden vergangener Jahrgänge.

Ohne digitale Werkzeuge geht gar nichts

Abschlusspräsentation. Alle Arbeiten aller Gruppen aus dem Semester werden auf der Galerie der Universität aufgehängt. Die Jury besteht aus: Marina Krauth, Buchhandlung Felix Jud; Friederike Nielsen, BoD – Books on Demand; Nicole Lüdtke, Cora Verlag; Michael Riethmüller, RavensBuch; Ulrich Engel, eisfeldengel Architekten. Dieser Runde präsentieren wir in prägnanter Ansprache unseren Entwurf. Dafür haben wir drei Minuten Zeit. Das ist knapp. Es trainiert die Situation vor späteren Auftraggebern als Architekt. Die Jury zieht mit versammeltem Publikum weiter. Sie bestaunt CAD-Pläne, Renderings und bewegte Animationen auf iPads. Irgendwann im Semester wurden die Ideen alle digitalisiert. Vielleicht geht das ja doch auch mit dem E-Book und der Kultur?

Wie auch die anderen Arbeiten ist mein Entwurf auf dem Projekt-Blog unter www.bookshop2020.de zu sehen. Über Kommentare und einen regen Austausch würde ich mich sehr freuen.

Bildquelle: Christian Greve

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